Deutschlands Städte sind verstopft, Autos stehen im Stau und erste Fahrverbote wurden aufgrund der schlechten Umweltwerte vollzogen. Dabei liegt die Lösung so nah: eine ordentliche Infrastruktur für Fahrradfahrer.

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Massenmotorisierung führt zum Kollaps in deutschen Städten

Das Auto hat eine lange Geschichte vorzuweisen, sie begann im 19. Jahrhundert, im 20. Jahrhundert lösten motorisierte Wagen in nahezu allen Bereichen die von Zugtieren gezogenen Fuhrwerke mehr und mehr ab. Mitte des 20. Jahrhunderts fuhren weltweit praktisch alle Autos mit einem Verbrennungsmotor. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts spielen elektrische Antriebe wieder eine zunehmende Rolle.
Feinstaub, Dauerstaus, Parkplatzsuche, Lärm und kaum Platz für Fußgänger und Radler. Das sind die Folgen der Massenmotorisierung. Daraus resultieren immense Schäden, nicht nur für die Luft, das Wohnen an lauten Straßen birgt Krankheiten, Wohnbezirke werden durch breite Straßen zerschnitten, Kinder und Alte in Parks und umzäunte Spielplätze verbannt. Die Situation auf deutschen Straßen ist angespannt, die weiter steigenden Zulassungszahlen zeigen den Städten mittlerweile die tatsächlichen Grenzen der Autofreiheit auf. Im Durchschnitt bewegen sich die Fahrzeuge immer langsam durch die Straßen. Mit weniger als 20 km/h wird offensichtlich: Es ist zu viel des Guten.
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Platzprobleme und CO₂-Werte lassen sich durch Fahrradfahrer deutlich verbessern

Es ist also nicht verwunderlich, dass die Autofahrer sich immer mehr zu Alternativen umsehen. Der hohe Zuwachs der Radfahrer hat sich in Deutschland in den letzten Jahren fast verdoppelt. Die Verkaufszahlen aus der Fahrrad-Branche bestätigen dies, jedes Jahr steigt die Zahl der verkauften Fahrräder und E-Bikes an.
Mit dem wachsenden Fahrradverkehr wird aber zugleich offensichtlich, wie autofixiert die städtische Infrastruktur in Deutschland bis heute ist. Radler sind immer noch nicht ausreichend im Fokus der Verkehrsplanung, und das, obwohl sie im Gegensatz zu Autos weder die Straße verstopfen, noch die Luft verpesten. Eine Berechnung des Bundesumweltamtes ergab, dass alleine ein Berufspendler, der täglich fünf Kilometer zur Arbeit hin und zurück fährt, pro Jahr 350 Kilogramm CO₂-Emissionen einspart, wenn er auf das Auto verzichtet. Hochgerechnet auf Deutschland könnte eine Stärkung des Radverkehrs so bis zu acht Prozent CO₂-Abgase einsparen.
Halbherzige Fahrverbote wie in Hamburg, oder die Förderung von Elektroautos sollen die CO₂-Belastung verbessern. Überfüllte Straßen werden aber dadurch nicht leerer, indem ein Stromer einen Diesel oder Benziner ersetzt. Die CO₂- und Feinstaubbelastung sinkt nicht eklatant durch temporäre Umleitungen.
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Gefährliche Situationen für Fahrradfahrer im städtischen Verkehr

Radfahren ist grundsätzlich nicht gefährlich. Gefährlich ist eine Infrastruktur, die Radfahrerinnen und Radfahrer immer wieder in kritische Situationen drängt. Eine Studie der University of Westminster hat Radfahrer nach ihren täglichen Erlebnissen im Straßenverkehr befragt, um zu verstehen, was Menschen tatsächlich am Radfahren hindert. Das Ergebnis ist recht aufschlussreich: Die insgesamt 2.586 Teilnehmer erlebten an nur zwei Tagen insgesamt 6.000 Zwischenfälle. Jeder siebte Vorfall war dabei ein Beinah-Zusammenstoß mit einem Bus oder einem Lkw. Auf der Liste standen außerdem Autos, die mit zu geringem Abstand überholten, blockierte Radwege, das plötzliche öffnen der Tür eines stehenden Autos, sowie gefährliche Situationen beim Abbiegen. Diese Studie lässt sich in einigen Teilen auf den deutschen städtischen Verkehr übertragen.
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Abhilfe schaffen würde eine ordentliche Infrastruktur, die Platz für den Radfahrer und dem Autofahrer einräumt. Optimalerweise mit eindeutig getrennten Fahrbahnen. Wichtig sind dabei nicht nur durchgezogene Linien auf der Straße, durch Sicherheitspoller klar vom Autoverkehr getrennt fühlen sich Veloliebhaber am sichersten. Radschnellwege sind ebenso eine alternative Lösung. Die Vorteile liegen hierfür klar auf der Hand: Auf separaten Fahrbahnen kommen sich Radler und Autofahrer nicht mehr in die Quere. Das ist für beide Seiten sicherer und könnte Menschen dazu ermutigen, ihr Auto stehen zu lassen und aufs Fahrrad umzusteigen. 85 Prozent aller Radfahrer fühlen sich laut einer Studie des Sinus Instituts für das Verkehrsministeriums unwohl, wenn sie mit den Autos und Lastwagen auf einer Fahrbahn unterwegs sind.
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Pilotprojekte reichen nicht aus – eine bessere Fahrradinfrastruktur ist unerlässlich

Wenn die richtigen Anreize geboten werden, steigen auch immer mehr auf das Rad um und entlasten so zwangsläufig auch die Umwelt. Kopenhagen und Amsterdam zeigen, dass das funktioniert. Der Anteil der Radler im Verkehr beträgt hier 50, beziehungsweise 32 Prozent. Fahrradinitiativen mobilisieren daher für mehr Radwege und Abstellmöglichkeiten und vor allem für mehr Schutz im Straßenraum. Interessenverbände wie der ADFC fordern seit Jahren mehr Investitionen in die Fahrradinfrastruktur. Doch die Politik reagiert nur zögerlich, schließlich war das Auto des Deutschen liebstes Kind, wurde gehegt und gepflegt. Verkehrspolitik und Städteplanung richten sich nach den Bedürfnissen von Autofahrern.
Einige Pilotprojekte gibt es, zwischen Essen und Mühlheim entsteht der Radschnellweg Ruhr (RS1). Vier Meter breit, kaum Kreuzungen, wenig Steigungen. Bis 2025 soll er, ganz ohne Autos und Fußgänger, 100 Kilometer lang sein und von Duisburg bis Hamm reichen. Solche, oder ähnliche Fahrradstraßen, sind überall in Deutschland geplant. Berlin möchte eine Vorbildfunktion einnehmen und ab 2019 jährlich um die 51 Millionen in die Fahrradstruktur investieren. Eine ausreichende Verkehrswende ist allerdings noch nicht in Sicht. Steckt der Bund 25 Millionen in den Bau von Radschnellwegen, stehen dem zum Beispiel 74 Millionen Euro, pro Kilometer, für den Ausbau der A 1 im Bereich Hamburg Harburg gegenüber.
 
Bereits 2015 hat FUTUREMAG von ARTE ein Video zum Thema Fahrrad und Stadt herausgebracht. An der Situation hat sich damals wie heute nicht viel geändert: